Die Passionsspiele 2007 - "Der Prozess"

2007 gab es auch zwei Spielebenen: die Zeit Jesu und die heutige Zeit. Denn wir sind der Meinung, dass ein Passionsspiel mit direktem Bezug zum heutigen Leben erst recht seine wahre Bedeutung erlangt.
Das Wort „Prozess“ ist in zweifacher Weise zu deuten: Zum Einen spricht es von einer Verhandlung, in der ein Mensch für eine Tat angeklagt wird. Zum Anderen weist das Wort auf eine Entwicklung hin, die ein Mensch, eine Situation mit der Zeit machen kann.

Nach drei Monaten intensiven Probens hob sich für die über 40 Laienspieler am 3. März 2007 zum ersten Mal der Vorhang zu den vierten Passionsspielen von Schönberg. Vor voll besetzten Rängen führten sie »Der Prozess« auf. Das Drehbuch stammte auch diesmal  von Siegfried Bongartz, Regie führte Alfons Velz.

Gesamtkoordinatorin Marlene Backes begrüßte voll angespannter Vorfreude Publikum, religiöse Würdenträger und Politiker. Letztere wies sie mit einem Augenzwinkern darauf hin, dass die Passionsspielgruppe noch immer ganz ohne Subsidien arbeitet. Zur Einführung versuchte sie das Passionsspiel zu definieren. Ob es nun eine Glaubensverkündung oder -verunsicherung sei, könne sie nicht sagen. Ziel sei aber in jedem Fall, das Publikum dazu zu bringen, sich mit der Thematik auseinander zu setzen

Der theologische Berater Pfarrer Claude Theiss lud die Anwesenden ein, ihre Sinne zu öffnen und Jesus auf seinem Leidensweg zu begleiten. Die Spieler wollen ihre Zuschauer nicht nur auf Gefühlsebene berühren, sondern ihnen Jesus und seine Botschaft ans Herz legen.

Eine Besonderheit der Schönberger Passionsspiele sind die beiden Ebenen die parallel zueinander ablaufen. Neben der klassischen Ebene, die Jesu Leidensgeschichte erzählt, gibt es immer eine moderne Ebene.

Dies soll den Zuschauern verdeutlichen, dass das Evangelium nicht Geschichte, sondern täglich gelebte Wirklichkeit ist. Die klassische Ebene basiert auf dem ältesten, dem Markusevangelium. Durch einige Szenen der Evangelien nach Lukas und Johannes wurde das Stück komplettiert. Auf der modernen Ebene geht es um die Ausländerin Tatjana. Mit einer Gruppe von Frauen setzt sie sich für mehr Gerechtigkeit ein.

atjana organisiert eine Demonstration gegen die Machenschaften der Politiker mit den Ölmillionären. Genau wie Jesus wird sie den Machthabern unbequem und gefährlich. Also wird ihr Asylprozess neu aufgerollt. Sie kann weder ihre politische Verfolgung in der Heimat noch die Rechtmäßigkeit ihrer Ehe beweisen. Sämtliche Dokumente sind in den Kriegswirren verloren gegangen oder beim Tod ihres Mannes zerstört worden. Dieser war Journalist und hatte die doppelte Staatsbürgerschaft.

Er wurde in seinem Büro vielleicht nicht ganz zufällig von einer Granate getötet.

Während des ganzen Stückes tun sich erstaunliche Parallelen zwischen Geschichte und Gegenwart auf. Damals wie heute stehen eigene Interessen, Macht und Habsucht im Vordergrund. Es handelt sich um einen Urkonflikt. So wie Jesus den Mächtigen ein Dorn im Auge ist, ist es auch Tatjana. Beide sollen mundtot gemacht werden. Beide durchleben einen inneren Prozess, der sie letzten Endes zu Gott führt. Beide werden von Freunden verleugnet und gehen für ihre Sache in den Tod. Das Thema der diesjährigen Passionsspiele ist weit politischer als das der vergangenen Auflagen.

Das Stück kann auch durchaus als gesellschaftskritisch gewertet werden. In der Einführung lädt eine freie Journalistin, die zwischen korrupten Politikern und Friedensaktivisten steht, die Zuschauer ein, einmal zu beobachten, in welchen Rollen sie sich wiederfinden.

Mit Fleisch und Blut

Die zahlreichen Schauspieler zeigten eine großartige Leistung. Lothar Krämer als Jesus, Claudine Schröder als Tatjana, aber auch Robert Schmetz, der den Ministerpräsidenten verkörperte, brachten ihre Charaktere äußerst glaubwürdig rüber. Sie durften sich selber einbringen, um ihre Rollen mit Leben zu füllen. Autor Siegfried Bongartz meinte dazu, er habe das Skelett geliefert, die Spieler haben es mit Fleisch und Blut gefüllt.

Vor allem auf der modernen Ebene wurden den Schauspielern große Freiheiten in Bezug auf den Text gelassen. Dies war Regisseur Alfons Velz von Beginn an wichtig gewesen und war wohl auch ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Passionsspiele 2007.