Karl-Heinz Calles im Alter von 73 Jahren plötzlich verstorben

Nachruf: Karl-Heinz Calles im Alter von 73 Jahren plötzlich verstorben / Die Kirche braucht einen tiefgreifenden Strukturwandel
Eine prophetische Stimme, fordernd und ermutigend

Eupen

Am Montagmorgen, 4. Dezember, verstarb infolge eines Herzinfarktes, im Alter von 73 Jahren der aus Oudler stammende Seelsorger Karl-Heinz Calles in Eupen. Er fühlte sich mit den Menschen in Ostbelgien eng verbunden, obwohl oder gerade weil er ein Wanderer über viele Grenzen hinweg war. Bis zuletzt lag ihm die christliche Erwachsenenbildung besonders am Herzen. Er wollte die Gläubigen mündig machen, und dafür hat er bis zuletzt leidenschaftlich gekämpft.

von Lothar Klinges

Er wusste um seinen Gesundheitszustand. Erst seit drei Tagen lebte er bei Margot Piel-Herren im Eupener Birkenweg, um nicht alleine zu sein. Hier ereilte ihn am Montagmorgen der plötzliche Herztod. Allmählich wollte er in den nächsten Tagen seine Wohnung in der Vervierser Straße räumen.

„Sein Herzensanliegen war es, die Gläubigen mündig zu machen, indem sie auf das Wort Jesu hören und es in ihr Leben umsetzen sollten“ betonte Margot Piel-Herren, eine lange Wegbegleiterin von Karl-Heinz Calles. Ihm waren der Glaube, das Evangelium und die Person wichtiger als die Kirche. Er hat erkannt, dass die Kirche einen tiefgreifenden Strukturwandel braucht. Damit fand er bei der kirchlichen Hierarchie und auch bei einer bestimmten Kirchenbasis nicht immer ein offenes Ohr. Seine Worte waren prophetisch und fordernd, aber auch einfühlsam und ermutigend. Ihm war das Moralisierende in der Kirche zuwider. „In uns allen steckt Jesus Christus“, sagte er. Aufgabe der Kirche ist es, das Positive aus dem Menschen herauszulocken und für die Gesellschaft fruchtbar zu machen. Bei der Erwachsenenbildungsorganisation „Die Lupe“ mit Gerd Havenith hat er viele suchende Menschen in Ostbelgien angesprochen. Zurzeit bereitete er weitere Vorträge über die Person Jesu vor.

Einmal im Monat traf sich in Eupen eine Gruppe, um „den Sonntag anders zu feiern“. Diese Gläubigen trafen sich als „Tischgruppe“ reihum bei einem Mitglied zu Hause, um über das Wort Gottes auszutauschen. „Das Wort ist wie Brot und der Wein ist wie die Freude, aus der wir leben können“, betonte Karl-Heinz Calles. Auch monatlich traf sich die Gruppe „Glaube und Wissen“, um über brennende (philosophische) Fragen auszutauschen. Auch war er in einem Bibelkreis aktiv und besuchte bis zuletzt die Menschen in den Altenheimen und im Krankenhaus.

Geboren wurde Karl-Heinz Calles am 31. Dezember 1949 als zweites von drei Kindern der Eheleute Christian Calles und Bertha Linnertz in Oudler. Nach dem Besuch der Volksschule machte er sein Abitur in der Abteilung Griechisch-Latein an der Bischöflichen Schule St.Vith. Es folgten drei Jahre des Studiums der Philosophie und der Geschichte an der Universität Löwen, danach drei weitere Jahre Theologie am Bischöflichen Priesterseminar in Lüttich. Sein Pfarrpraktikum absolvierte er in der St. Josef-Pfarre Eupen. Nach der Priesterweihe, zusammen mit Willy Margraff, Walter Heyen, Jean Pohlen in St. Vith, sowie Rudi Schumacher und Franz-Josef Heinen in Weywertz am 1. Juni 1974, schloss Karl-Heinz Calles das Geschichtsstudium mit einem Master ab. Seine Primiz feierte er am 7. Juli 1974 in Oudler. Karl-Heinz Calles unterrichtete zwischen 1976 und 1978 am Eupener Collège Patronné (heute Pater-Damian-Sekundarschule) die Fächer Religion und Geschichte, bevor er bis 1982 als Kaplan der Pfarre St.Nikolaus in Eupen tätig war.

Nach einem anderthalbjährigen „Intermezzo“ als Pfarrverwalter von Walhorn (1982-83) schlug der damalige Bischof Wilhelm-Maria Van Zuylen dem jungen Priester ein Zusatzstudium in Kirchenrecht vor, ein Angebot, dass der zielstrebige und wissensdurstige Karl-Heinz Calles gerne wahrnahm.

„Diese Zeit war eine große Herausforderung, arbeitete ich doch neben meinem Studium halbtags als Kaplan in Eupen“, so Karl-Heinz Calles im Rückblick. Der damalige Lütticher Bischof Albert Houssiau bot Karl-Heinz Calles 1986 eine DozentensteIle in den Fächern Moraltheologie und Kirchenrecht am Priesterseminar in Lüttich an. Hier bildete er während 13 Jahren Seminaristen zu Priestern aus. Zudem war er noch als Richter am Bischöflichen Ehegericht tätig.

Nach der Beendigung seiner Tätigkeit als Professor am Lütticher Priesterseminar kehrte Karl-Heinz Calles nach Ostbelgien zurück. Der damalige Bischofsvikar und spätere Bischof Aloys Jousten trat an ihn heran mit dem Wunsch, das Institut für Pastoral und Katechese (IPK) neu zu beleben. Daraus entstand der „Arbeitskreis kirchliche Erwachsenenbildung“ (AKE), der in der ostbelgischen Regionalkirche zu einem Begriff wurde. Um noch stärker in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden, wurde 2009 aus dem AKE das „Haus Samaria“ in der ehemaligen Kaplanei in der Eupener Judenstraße.
Der Arbeitskreis begann mit einem ersten Grundkurs des Glaubens, der nach einer Pionierphase 1998-99 auf ein großes Echo und viel Zuspruch gestoßen war. Danach kamen weitere Module hinzu.
Angefangen hatte Karl-Heinz Calles als Einzelkämpfer. Allmählich waren verschiedene Menschen bereit, in das Projekt einzusteigen. Zwölf Mitarbeiter(innen) erteilten Glaubenskurse oder andere Formen der Weiterbildung. Ein Höhepunkt in der zehnjährigen Geschichte des AKE war zweifellos der Kurs Mess’Aje, der sich über vier Jahre erstreckte und an dem zwei Jahre lang intensiv gearbeitet wurde.
Auf regionaler Ebene stand Karl-Heinz Calles weiterhin als „Aushilfspriester“ in verschiedenen Pfarren zur Verfügung. Auch setzte er sich für die „Marriage Encounter“-Bewegung im deutsch- und im französischsprachigen Raum ein.

Im Jahre 1999 kehrte er in die Eifel zurück und wurde Hilfspriester in der Gemeinde Burg-Reuland. Zum 1. September 2001 wurden die Orte Aldringen, Maldingen, Braunlauf, Grüfflingen und Thommen zu einem Pfarrverband zusammengeschlossen. Karl-Heinz Calles wurde zum Pfarrer und „Koordinator“ dieses Pfarrverbandes berufen. Nach nur zwei Jahren verließ er den Pfarrverband und fand im Juni 2003 auf Wunsch von Bischof Aloys Jousten eine neue Aufgabe in der Eupener Priesterequipe.

Er hat eine „Denkfabrik“, eine Denkgruppe gebildet, die sich in der Perspektive von Haus Samaria auch an Kirchenferne richtete. „In dieser Gruppe setzen wir uns mit vielen Fragen intensiv auseinander: Wie kann unsere Frohe Botschaft heute Menschen vermittelt werden, die suchen und diese Botschaft noch nicht kennen? Was kann Menschen helfen sich auf Jesus Christus einzulassen?“, erklärte Karl-Heinz Calles die Aufgabe dieser Gruppe.

Karl-Heinz Calles hatte im Auftrag von Bischof Aloys Jousten vor etwa 15 Jahren eine Katechumenats-Gruppe ins Leben gerufen, die in Ostbelgien die Hinführung Jugendlicher und Erwachsener zur Taufe begleiten sollte „Damit kommen Erwachsene als Adressaten kirchlicher Katechese ganz neu ins Blickfeld. Wir stehen hier mitten in einem Perspektiv- und Stellungswechsel. An die Seite der Katechese für Kinder und Jugendliche muss ein eigenes Angebot für Erwachsene treten“, unterstrich Karl-Heinz Calles.

Maßgeblich war er zusammen mit Karl Katzweiler, Peter Mertes und Willy Margraff an einer Denkschrift mit dem Namen „Katholische Kirche in Ostbelgien – Quo Vadis?“ beteiligt. „Die Kirche kann und muss sich ändern, damit das Evangelium wieder glaubwürdig erscheint für die Menschen, denen es fremd ist oder fremd geworden ist. Es ist an der Zeit, die Menschen zu hören, die auf der Suche nach Antworten auf die Fragen des Lebens sind, die Erfahrungen gemacht haben, die sie nicht in der real existierenden Kirche finden.“

Im Jahre 2015 trat der damals 66-Jährige in Pension und war weiterhin im karitativen Bereich von Krankenhaus und Seniorenheim tätig, u. a. beim Josephine-Koch-Service als Krankenbesucher. Jahrzehntelang nahm er an Heilig Abend an der Feier mit Alleinstehenden im Atelier Kunst und Bühne in Eupen teil und hat bis zuletzt die Bibelwanderungen bzw. Bibeltage maßgeblich begleitet. Nicht zuletzt auch seine Beiträge in der Sendung „Glaube, Kirche, Leben“ haben viele Menschen geprägt und bei ihnen etwas in Bewegung gesetzt.

In einem Interview befragten wir ihn vor einigen Jahren nach seinem Traum von Kirche. „Viele kleine Basisgruppen um das Wort Gottes versammeln. Diese Gruppen bemühen sich um ein soziales bzw. karitatives Engage¬ment in ihrem Umfeld oder auf größerer Ebene.“ An diesen Traum hat er bis zuletzt geglaubt und sich dafür leidenschaftlich eingesetzt.

Die Begräbnisfeier für Karl-Heinz Calles findet am Samstag, 9. Dezember 2023, um 9.30 Uhr im Einäscherungszentrum Neomansio in Welkenraedt statt.